Redaktionsbesuch im Deutsch-Russischen Forum

Katharina Schaible im Gespräch

mit Dr. Simon Moser, dem Vorsitzenden der Medtner-Gesellschaft

Katharina Schaible startet gut präpariert ins Gespräch und kitzelte manche Information heraus.

F: Herr Moser, Sie haben vor einem Jahr die Nikolaj Medtner Gesellschaft gegründet. Was hat Sie dazu bewegt?

A: Unsere Gesellschaft wurde im Februar 2017 von sieben Gründern ins Leben gerufen und ist die einzige aktive Nikolaj Medtner Gesellschaft in der Welt. Die Idee entstand allmählich nach einer Konzertreihe 2015 in Baden-Baden. Bei den Programm-Besprechungen mit Darya Dadykina und Vasily Gvozdetsky lernte ich damals, in einer Küche mit Klavier, Musik Nikolaj Medtners kennen und war elektrisiert. Klasse Musik! Ich muss zu meiner Schande gestehen, sie war mir vorher unbekannt und ich bin Musikwissenschaftler. Aber ich wollte als künstlerischer Leiter der Baden-Baden Konzertreihe etwas Besonderes setzen und ließ mir von den beiden Pianisten immer mehr vorspielen. Schließlich haben wir ein reines Medtner-Konzert in die Reihe integriert und das Publikum war begeistert.


Vitale Musik

Rachmaninov und Medtner waren freundschaftlich und durch großen künstlerischen Respekt verbunden.

F: Was genau fasziniert Sie an der Musik und Person Nikolaj Medtners?

A: Medtner hatte einen ganz eigenen Kopf. In seiner Musik finden sich Elemente der Spätromantik, deutscher wie russischer Prägung, Manches an der Grenze zur Atonalität, komplexe Rhythmen, jazzige Akkordfärbungen, musikalischer Fluss und immer wieder unvermittelte Brüche.Das klingt vital, packend und immer wieder anders. Wenn man die Musik öfter hört, wird man immer mehr darin entdecken. Ein ganz eigener Stil. Selbst Sergej Rachmaninov sagte Anfang der 20er Jahre zu Medtner: „Sie sind meines Erachtens der größte Komponist unserer Zeit.“ - und stellte Medtner über sein eigenes Schaffen. Medtners Musik verdient es einfach bekannter zu werden! Zudem fasziniert Medtner hat einen internationalen, wahrhaft europäischen, Lebenslauf – da gibt es viele Parallelen zur heutigen Zeit.


Internationale Verbindungen

Die Konzertreihe 2015 in Baden-Baden ist ein Schlüsselereignis aus dem sich die Gründung der Medtner-Gesellschaft langsam entwickelte.

F: Ist das der Grund, dass die Gesellschaft international breit aufgestellt ist? Sie haben ja Kontakte nach England, Italien, Frankreich und haben bereits in London in Kooperation mit dem Pushkin House zwei Konzerte veranstaltet. Pflegen Sie auch Verbindungen zu russischen Künstlern und Kunstschaffenden?

A: Ja, die Internationalität ist mit Medtners Vita gekoppelt und ja, es gibt natürlich Verbindungen zu Russland. Vasily Gvozdetsky und Darya Dadykina sind wichtige Brückenbauer. Erst Anfang April 2018 haben wir ein Symposium mit der Staatlichen Universität der Künste und Kultur in St. Petersburg durchgeführt, das Vasily Gvozdetsky zusammen mit Andrej Khrenov, dem Dekan der Fakultät für Weltkultur, initiiert und mit internationale Experten durchführte. Ganz gleich ob Musikerlebnis oder wissenschaftliche Aufarbeitung, der Austausch ist wichtig. Unser Motto ist ja: Mit Musik Menschen verbinden. Und es funktioniert! Denn Musik kennt keine Sprachbarrieren und unsere Botschaft wirkt über Grenzen hinweg.

 

Nikolaj Medtner ist in Russland geboren, hat übrigens Wurzeln in Thüringen, lebte in den 1920er Jahren in Berlin, danach einige Jahre in Paris und schließlich rund 20 Jahre in London. Er war getrieben auf der Suche nach Glück und Anerkennung. Die Fragen nach nationaler Identität, nach Verbindung, wie sie bei der Entwicklung und Festigung des europäischen Gedanken eine Rolle spielen, gab es schon 100 Jahre zuvor. Wir gehen gern spannende Kooperationen mit den Ländern ein, um etwas für Austausch und Verständigung zu bewegen. Länder, in denen Medtner verkehrte, aber auch darüber hinaus.


Zukunft mit Perspektiven

F: Einer der Satzungszwecke der Gesellschaft ist die Förderung musikalischer Talente. Wie genau gehen Sie dabei vor?

A: Zunächst möchten wir im Herbst 2018 mit einem Festival in Berlin auf uns aufmerksam machen, im nächsten Jahr einen Wettbewerb etablieren, bei dem insbesondere sehr junge Musiker gefördert werden. Die Gewinner sollen dann bei zukünftigen Festivals eine Plattform erhalten. So dass sich beide Formate immer mehr miteinander verschränken und diese für Künstler zu einem Aktionsfeld werden, mit dem sie sich in der Musik- und Konzertwelt empfehlen können. Starthilfe, Ansporn, hoher musikalischer Anspruch, Austausch – das kommt nach und nach zusammen.

F: Wie sehen die nächsten Pläne der Nikolaj Medtner Gesellschaft aus?

A: Für unser Medtner-Festival in Berlin im Herbst planen wir noch diverse Veranstaltungen im Vorfeld, mit denen wir Besucher, Medien, aber auch Förderer auf uns aufmerksam machen möchten, etwa bei Steinway Berlin oder im Logenhaus zu unserem einjährigen Geburtstag. Und wir suchen natürlich Mitglieder, Partnerschaften mit Kulturinstitutionen, Medien und vernetzenden Interessengruppen. Unser Ziel ist es, das Andenken an Nikolaj Medtner zu wahren, Musik zu vermitteln, jungen Musikern eine Chance zu geben und den Austausch zwischen den Ländern zu intensivieren. Wir machen das mit Leidenschaft und aus Überzeugung und es entwickelt sich mit Verve. Das macht einfach froh.


F: Wo sehen Sie die Medtner-Gesellschaft in fünf Jahren?

A: Wir möchten uns in einigen Jahren den Status einer festen Institution erarbeiten, die in einer Räumlichkeit mit Gestaltungspielraum untergebracht ist. Und wir möchten in einem internationalem, breit angelegten kulturellen wie wissenschaftlichen Netzwerk agieren, das wir uns momentan aufbauen.

Das Deutsch-Russische Forum e.V. fördert seit 25 Jahren als gesellschaftliche Initiative die deutsch-russischen Beziehungen. Ein hochkarätiges Netzwerk aus Unternehmen und Persönlichkeiten aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens, das seinen Fokus auf gesellschaftliche wie unternehmerische Anliegen richtet. Schlüsselthemen sind Nachwuchsarbeit, Wirtschaft, Sprache, Sport, Städtepartnerschaften und natürlich Kultur.

 


Katharina Schaible, Studentin der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, absolvierte von Februar bis Mai 2018 ein Praktikum im DRF, aktuell schreibt sie ihre Master-Arbeit.


Kommentar schreiben

Kommentare: 0