Zu Besuch in der Staatsbibliothek Berlin

Wissen und Erleben teilen

Das Sommer-Spezial der Internationalen Nikolaj Medtner Gesellschaft (INMG) führt seine Mitglieder und deren Gäste zu einer exklusiven Führung in die Staatsbibliothek zu Berlin. Irgendwie haben ja beide Institutionen etwas mit kulturellem Erbe, Wissensvermittlung, internationalem Austausch und Verständigung zu tun: Die Staatsbibliothek vorwiegend mit Schrift und Bild seit 1661, als eine der bedeutendsten Bibliotheken weltweit und die größte in Deutschland überhaupt, die  INMG vielmehr mit Musik und Tönen seit 2017, als die einzige aktive Medtner-Gesellschaft weltweit, jedoch erst noch im Aufbau begriffen. Der Vergleich hinkt und ist ohne Frage vermessen, nicht aber beider Leidenschaft, Wissen, Erinnerung und Erleben mit anderen Menschen zu teilen sowie Kultur und Bildung mit neuen Impulsen anzuregen.

 

Die eine im Großen, die andere (noch) im Kleinen. Was die "Newcomerin" bei der "Grand Dame" an einem heißen Sommertag in Berlin erlebt ist hier knapp anhand einiger Impressionen dargestellt. Es war beieindruckend und bringt das "Ideen-Schwungrad" wieder in Gang. Das ist auch dringend notwendig, denn die Pandemie vereitelte rund drei Jahre den direkten, physischen Austausch unter Mitgliedern, Partnern und Interessenten und machte das unmittelbare musikalische Erleben unmöglich. Für die junge gemeinnützige Medtner-Gesellschaft ein Desaster, aus dem sie sich jetzt wieder Schritt für Schritt befreien muss.

 

Bevor sich jedoch die Mitglieder der INMG am späten Abend bei Speis und Trank ungezwungen austauschen konnten, galt es den "Wissenstempel" zu erklimmen. Architektonisch schwer beeindruckend, Gänge und Treppenhäuser wie im Labyrinth und prächtige Räume, die Tradition und moderne Technik effektiv verbinden.

Dr. Linder macht's möglich

Dr. Monika Linder, Leiterin der Abteilung Nachlässe, macht einen lang gehegten Wunsch wahr. Nämlich die Staatsbibliothek, nach ihrer aufwändigen Sanierung, hautnah in ihrem Innern erleben zu dürfen und mehr über sie und ihre Herausforderungen zu erfahren. Sie ist mit  ihren Standorten 'Unter den Linden' und 'Potsdamer Straße' sowie mit ihren drei Außenlagern die größte Bibliothek Deutschlands ja sogar inklusive des deutschsprachigen Auslands. 12 Mio Bücher, ebenso viele Fotografien, etwa 33 Mio. gedruckte wie digitale Einheiten umfassen ihr kaum vorstellbares Volumen. 

 

Dr. Linder betreut Nachlässe, Autographe (ca. 300.000 Briefe), Verlagsarchive (Vandenhoeck & Rupprecht, Mohr Siebeck, Aufbau, Wagenbach, De Gruyter u.a.)  und Grafische Sammlungen (100.000 druckgrafische und fotografische Portraits, 50.000 Exlibris, 3000 Menükarten) darunter Nachlässe von den Gebrüdern Grimm, Fontane, Herder, Alexander von Humboldt, Hegel, Gerhard Hauptmann, Dietrich Bonhoeffer, Eichendorff, Gründgens, Furtwängler, Leni Riefenstahl, Wolf Biermann u.a.m. Allein die Bestände ihrer Grafikabteilung füllen Regale von 13 km Länge, so lang wie die Strecke der U9 in Berlin.

Quellen bewahren, erschließen, vermitteln

Hier wird nationales wie Weltkulturerbe aufbewahrt und erhalten. Die Herausforderungen sind vielfältig. Die mittelalterliche Gallus-Tinte z.B. hat die "dumme" Eigenschaft Papier allmählich zu zerfressen. Um das Papier, auf dem sie verwendet wurde, zu erhalten, muss es gespalten werden. Japan-Papier wird zum Stabilisieren dazwischen gelegt. Das ist enorm aufwändig und kostspielig.

 

Auch gilt es historische Bestände zu digitalisieren. Ein enormer Berg an Arbeit. Linder schätzt, dass noch nicht einmal 50% der deutschsprachigen Bücher bis 1912 digitalisiert sind. Aber mit der Digitalisierung ist es nicht getan. Die Quelle muss auch erschlossen werden, also etwa verschlagwortet und Systemen usergerecht zugeführt werden. Hier kommen bei Print-Werken OCR-Verfahren und KI zu Einsatz. Bei Handschriften mit ihrer zumeist fragile Beschaffenheit ist das noch sehr viel schwieriger und erheblich zeitaufwändiger,

 

Ein wichtiger Punkt ist bei aller Bereitstellung von Materialien ist die rechtliche Seite, also Urheberrechte, Nutzungsrechte, Verjährungsfristen, Verwendungszwecke, Medienart, Datenschutz etc.. Das ist komplex und für den Laien schnell unübersichtlich. Es zeigt aber, dass hinter der ganzen bibliothekarischen Arbeit ein nicht minder großer Part an Verwaltungstätigkeit steckt.

Dr. Monika Linder, Leiterin der Abteilung Nachlässe. Ihre Abteilung umfasst ca. 1300 Nachlässe aus fünf Jahrhunderten


Ein Blick in die Schatzkammer

In einem Buch zu blättern, das etwa 900 Jahre alt und in einem Einband aus dem 16. Jahrhundert gefasst ist, erfüllt einen mit Erfurcht und Erstaunen, ob der Akuratesse und Brillianz der Schrift, der liebvollen grafischen Ausgestaltung und des klaren Notenbildes. Was Dr. Monika Linder auf ihrem Bücherwagen hat und in Mappen bzw. auf Stützkissen präsentiert ist wirklich besonders.

Zwischen Menükarten, Verlegerkorrespondenz und Portraits treffen wir einen alten Bekannten wieder und sein Buch "Musik & Mode". Dieser Fährte werden die Medtner-Freunde bestimmt nachgehen. Ein informationsreicher Nachmittag geht zu Ende. Wissen macht durstig und hungrig, also auf ins nächste Gasthaus und hier wird das "Ideen-Schwungrad" wieder kräftig gedreht. Wir werden berichten ...

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Kommentare: 1
  • #1

    Gabriele Weber (Dienstag, 26 September 2023 14:40)

    War leider, leider nicht mit dabei. Der anschauliche Bericht zu diesem INMG-Besuch in der „Stabi“ erhöht mein Bedauern. Wunderbar, dass einige Mitglieder der Gesellschaft in diesen Kulturgenuss kamen.
    Und ich höre: Neue Ideen für eine Partnerschaft sind entstanden …